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Omnia in omnibus
Eine Zeitreise durch 8 Jahrhunderte, erzählt in Klängen und Bildern
2015 feierte die Universität Wien ihr 650-jähriges Bestehen. Für diesen Anlass schuf der Komponist Karlheinz Essl eine multimediale Performance, die den seit der Gründung im Jahre 1365 verflossenen Zeitablauf sinnlich erfahrbar macht. Mit computergenerierten Klängen und einem in Echtzeit erzeugten Bilderstrom wird die wechselvolle Geschichte über die verschiedenen Jahrhunderte und Epochen heraufbeschworen und zu einem immersiven Gesamterlebnis gebündelt.
In dieser etwa einstündigen Live-Performance werden Klangauren aus acht Jahrhunderten raumgreifend in den Kleinen Festsaal der Universität Wien projiziert. Diese lösen sich wellenartig von einer Soundscape ab, die aus transformierten Umweltgeräuschen sowie Klängen des Wiener Stadtverkehrs besteht. Diese musikalische Zeitreise wird durch eine Videoprojektion von Simon Essl komplementiert.
Mithilfe spezieller Kompositionsalgorithmen, die Karlheinz Essl seit Mitte der 1980er Jahre entwickelt, werden aus vorgefundenen Klang- und Bildmaterialen neue Strukturen in Echtzeit synthetisiert. Diese gleichsam alchemistischen Transformationsprozesse lassen Bild und Ton zu einem alle Sinne erfassenden Gesamterlebnis verschmelzen, das vom Komponisten und dem Videokünstler während der Aufführung live gestaltet wird.
Omnia in omnibus: Schlussteil
Recorded live at Studio kHz (13 Jun 2015)
Omnia in omnibus lautete der Wahlspruch des berühmten Gelehrten Athanasius Kircher, der im 17. Jahrhundert wirkte und zu jedem nur erdenklichen Thema und Wissensgebiet forschte. Er verkörpert die Universalität eines Wissens, das sich nicht auf einzelne Fachgebiete beschränkt, sondern sich umfassend mit Allem auseinandersetzt und die Verschiedenheiten der Disziplinen miteinander in Beziehung setzt. Dies ist der zentrale Ausgangspunkt des künstlerischen Konzepts, wo verschiedenartige Klang- und Bildstrukturen mit jeweils unterschiedlichen Geschichten und Bedeutungen ineinander verwoben werden, um daraus etwas Neues entstehen zu lassen, das zwar an Vergangenes erinnert, gleichwohl aber in die Zukunft weist.
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© 2015 by Simon Essl
OMNIA IN OMNIBUS
Eine Klangreise durch acht Jahrhunderte
„Das ist die Idee, dass man diese Stücke nicht zitiert, sondern nur als Klangauren benutzt, die dann im Hörer alles Mögliche auslösen können.”
Und was die Klangauren von OMNIA IN OMNIBUS von Karlheinz Essl auslösen, das können Sie in Kürze hier im Kunstradio herausfinden. Es begrüßt Sie Elisabeth Zimmermann.
Der österreichische Komponist und Musiker Karlheinz Essl, der Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien unterrichtet hat aus Anlass der 650-Jahr-Feiern der Universität Wien letztes Jahr die live aufgeführte die Multimedia-Performance OMNIA IN OMNIBUS entwickelt.
„Das Stück besteht aus einem ständigen Abwechseln von Soundscapes und das, was ich als Klangauren bezeichne. Das ergibt eine Reise durch 8 Jahrhunderte, von der Gründung der Universität Wien im Jahre 1365 bis 2015.”
Klangauren spielen ein wichtiges Element in Karlheinz Essls Stück OMNIA IN OMNIBUS:
„Das ist - wenn man so will - die metaphysische Substanz der Stücke. Also nicht unbedingt die Musik als solche mit ihrer Syntax, ihrer Erzählung, ihrer Struktur, sondern das, was sich am ehesten an der Oberfläche des Klanges widerspiegelt: der Sound. Das ist eine spannende Erkenntnis, dass der Sound eines Stückes auch dann noch da ist, wenn es unglaublich stark transformiert wird.”
In einem mehrwöchigen Auswahlprozess hat sich der Komponist Karlheinz Essl für folgende Musiken entschieden:
Diese Auswahl war eine der Grundlagen für Karlheinz Essls Klangauren, die einen wichtigen Bestandteil des Stücks OMNIA IN OMNIBUS bilden. Zusätzlich hat Essl auch mit Soundscapes gearbeitet.
„Die Idee war, dass man Klänge und Umweltgeräusche aus der jeweiligen Zeit nimmt und die so miteinander verbindet, dass man wirklich glaubt, man ist jetzt im 14. Jahrhundert. Man hört einen Wald mit Vögeln und Wasser, man hört aber auch Pferde - und das Gehen. Dieses Gehen ist sehr wichtig, das sind meine eigenen Schritte auf Kies. Und wenn man dann über die Jahrhunderte weiter geht, verschieben sich diese einzelnen Komponenten der Soundscapes in Richtung auf Geräusche, die unsere Umwelt heute prägen mit Sounds aus der Technik.”
Karlheinz Essl hat die Soundscapes und Klangauren live stark bearbeitet. Dafür verwendete Essl Kompositionsalgorithmen, die er seit Mitte der 1980er Jahre entwickelt.
„Ich interessiere mich schon seit vielen Jahren für vorwissenschaftliche Denkmodelle. Es gibt Mathematik schon seit den Griechen - denken wir an Pythagoras. Aber er hat nicht nur Zahlen aufgeschrieben, sondern erkannt, dass alles einen kosmischen und spirituellen Bezug hat. Dann gab es im 13. Jahrhundert einen Jesuiten namens Ramón Llull, der die Idee gehabt hat, dass man aus der Kombination von kleinsten Teilchen im Grunde die ganze Welt bilden kann. Das hat mich immer fasziniert… Und dann ist das in der Musik auch möglich. Wenn man nämlich die Aufnahme eines Klanges (ein Sample) in ganz kleine Einzelteile zerlegt, in seine Klangkörner, und diese in Zeit und Raum neu anordnet. Dieses Verfahren nennt sich Granularsynthese. Es wurde von einem ungarischen Mathematiker namens Dennis Gábor mathematisch beschrieben. Da man hier mit Massenphänomenen arbeitet - mit sehr vielen Teilchen, die zu organisieren sind - kann man das gar nicht mehr deterministisch bewerkstelligen, sondern braucht statistische Methoden wie Wahrscheinlichkeitsfunktionen, und muss mit dem Zufall arbeiten. Dieses mathematische Modell wurde später von einem Musiker umgesetzt. Es war Iannis Xenakis, der dies in den 1960er Jahren zum ersten Mal als Software realisiert hat. Später ist es möglich geworden, Granularsynthese mittels Computerprogrammen in Echtzeit zu realisieren. Das mache ich auch in meinem Stück. Jene Algorithmen, die die Verteilung, die Beschleunigung und Verdichtung der Klangkörnchen bestimmen, werden in Echtzeit umgesetzt. Ich kann manuell in die Prozesse eingreifen um diese Klangwolken zu bändigen.”
Karlheinz Essl hat eine Surround-Sound Kunstradio-Produktion von OMNIA IN OMNIBUS zusammengestellt.
„Ich habe hier die Soundscapes besonders stark in den Vordergrund gestellt; in der konzertanten Version waren diese weniger ausgedehnt. Und ich hab das Stück auch zeitlich gestrafft. Es dauerte ursprünglich über eine Stunde. Jetzt ist es auf 45 Minuten verdichtet. Was allerdings fehlt, ist die visuelle Ebene. Diese hat wiederum verlangt, dass das Stück länger wird, weil es Zeit braucht, sich auf die Bilder einzulassen. Durch deren Wegfall musste ich nun mit den inneren Bildern arbeiten, mit den Klangimaginationen. Das ist eine andere Wahrnehmung. Deswegen hat sich das Stück in der Realisierung für das Kunstradio zwangsläufig beschleunigt. Es ist wirklich ein Hörstück geworden und zielt einzig und allein auf das Hören ab.”
Und wenn Sie während des Hörens das erwähnte Video von Simon Essl sehen wollen, dann gehen Sie auf essl.at oder kunstradio.at
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Updated: 21 Nov 2023