Es gibt Wörter, die so heftig kursieren, dass sie nahezu alles Mögliche bedeuten können. Seit der Computer zum fixen Bestandteil des musikalischen Instrumentariums geworden ist, ist der Begriff Sample zu einem solchen verwaschenen Begriff geworden. Der Komponist Karlheinz Essl klärt das Dickicht auf. Dieser als Text transkribierte frei gesprochene Beitrag kann mit allen Hörbeispielen heruntergeladen werden.
Sample heißt Probe. Dieser Begriff wird in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet: In der Statistik ist das Sample eine Stichprobe, in der Audiotechnologie bedeutet es die digitale Abtastung eines analogen Klanges. Und dann gibt es natürlich das musikalische Sampling, wo ein Klang aus seinem ursprünglichen Kontext herauslöst und damit verfügbar gemacht wird. Hier meint Sample ein (digital) gespeichertes Klangschnipsel, auf das beliebig zugegriffen werden kann.
In der vordigitalen Zeit beginnt das Sampling in den 40er Jahren nach dem Krieg in Frankreich, wo Pierre Schaeffer Naturklänge - sogenannte "konkrete" Klänge - aufgenommen und auf Schallplatten mit Endlosrillen gepresst hat. Die Klänge können der Umwelt entstammen, aber auch aus Musikstücken. Dies ist ein beliebtes Verfahren im HipHop, wo aus kurzen Groove-Fragmenten älterer Musik (wie Soul, Funk oder Jazz) Loops gebaut werden, die das rhythmische Skelett eines Raps bilden. Wichtig ist beim Sample auch seine Geschichte, die es transportiert, wodurch im Hörer bestimmte Emotionen hervorgerufen werden können. Deshalb ist es so beliebt, Samples aus konnotierter - also mit Bedeutung aufgeladener - Musik zu verwenden, da sie vom Hörer wiedererkannt werden und dadurch bestimmte Stimmungen auslösen können. Die freie Verfügbarkeit des Samples in der Musik beginnt eigentlich erst dort, wo es digital handhabbar wird.
Das ist ein Sample, das von Heiner Müller stammt. Ich habe es deswegen ausgewählt, weil es selbst schon ein Endlos-Schleife darstellt. Der Stein des Sisyphos, der immer wieder hinaufgerollt wird und immer wieder hinunter fällt. Die einfachste Manipulation des Samples besteht darin, dass man es verkehrt herum abspielt. Ein anderes beliebtes Verfahren ist die Transposition des Samples auf unterschiedlichen Tonhöhen. Dabei fällt auf, dass beim Heruntertransponieren das Sample langsamer wird und bei Herauftransponieren schneller. Nun gibt es aber auch interessante Methoden, Transposition und zeitliche Ausdehnung des Samples voneinander unabhängig zu machen. Durch Anwendung einer Technik, die sich Granularsynthese nennt, kann man man das Sample stretchen - also dehnen - ohne dass sich seine Tonhöhe ändert. In den 1980er wurden die ersten Sampler gebaut, eine Art Keyboard, mit den man Klänge aufnehmen und wieder abspielen konnte. Über eine Tastatur konnte man diese Samples hinsichtlich ihrer Tonhöhe und Lautstärke verändern. Man nimmt beispielsweise den Klang einer Bongo auf und legt dieses Sample sozusagen auf die Tasten des Keyboards. So könnte man mit dem Klang dieser Bongo etwa die "Goldberg-Variationen" spielen. In meiner eigenen Musik verwende ich häufig Klangmaterial, das als Sample vorliegt. Allerdings nie in der Weise, dass einfach nur Klänge abrufen werden, um bestimmte Klangreize zu setzen. Ich verwende Samples immer nur als Ausgangspunkt für vielfältige klangliche Metamorphosen. Zum Beispiel in meiner Komposition Sonnez la cloche!, die ausschließlich aus dem Klang eines einzelnen Glockenschlags besteht. Das Stück beginnt mit einem diffusen Clusterklang, wo aus dem Glocken-Sample ein Klangspektrum herausgelöst wird, das in unterschiedlichen miktrotonalen Transpositionen vielfach miteinander überlagert wird. |
Der Komponist Karlheinz Essl, seit kurzem Professor für Komposition an Musikuniversität in Wien erklärte für das Musiklexikon der Sendung "Apropos Musik" den Begriff Sample.
Apropos Musik: Musiklexikon Gestaltung: Hans Georg Nicklaus Ö1, 2 Dec 2007 |
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Updated: 9 Jun 2018