Tristan's Lament

Mein Verhältnis zu Richard Wagner ist zwiespältig: Obwohl mir die schwülstige Thematik seiner Opern gänzlich fremd ist, zieht mich dennoch die schweifende Harmonik des "Tristan" seit jeher in den Bann. Diese Musik spinnt sich zwar fortwährend weiter und verheißt Ewigkeit; schließlich aber kommt sie immer zu einem Ende.

Ich aber wollte sie zu einem unendlichen, nie versiegenden Klangstrom transformieren, wo die Zeit angehalten wird.

Dafür musste ich tief in die molekularen Niederungen des Klanges hinabsteigen. Ein eigens dafür entwickeltes Computerprogramm spaltet den Beginn des Tristan-Vorspiels in seine Klangatome auf. Daraus gewinne ich mit alchemistischen Verfahren unerhörte Klangkonstellationen, die ich intuitiv im Augenblick gestalten kann. Mit diesem Werkzeug kann ich mich nun auf Reisen in den Wagner'schen Klang begeben, seine zeitliche Entfaltung anhalten, verlangsamen oder beschleunigen und die schmachtenden chromatischen Seufzer genussvoll auskosten.

Karlheinz Essl's Tristan's Lament written in MaxMSP. It can be regarded as an disrespectful deconstruction of Richard Wagner's Tristan Prelude. Performed by the composer during the Lacking Sound Festival at the noiseKitchen in the Digital Arts Center, Taipei. The visuals have been created by Essl as well and are generated in realtime.

Literature

Susanne Vill: Wagner in Softw[e]are
Liner notes for the CD Wagneriana (Radical Matters 2013)

Anngret Huber: Wagner in Translation
in: Performing Translation. Schnittstellen zwischen Kunst, Pädagogik und Wissenschaft, hrsg. von Werner Hasitschka (Löcker: Wien 2014), S. 238-251.

Updated: 24 Aug 2021