Karlheinz Essl: Live-Performance mit m@ze°2
Campus Musick Klagenfurt, 15 Jan 2009
Der Komponist und Elektronikmusiker Karlheinz Essl hat Ende der 1990er Jahre mit der Konstruktion eines einzigartigen elektronischen Musikinstrumentes begonnen, das den merkwürdigen Namen m@ze°2 [Modular Algorithmic Zound Environment] trägt. Es basiert auf einem in MaxMSP geschriebenen Computerprogramm, das als work-in-progress ständig weiterentwickelt wird und es dem Künstler ermöglicht, seine jeweiligen Klangvorstellungen im Moment umzusetzen.An diesem Abend präsentiert Karlheinz Essl die klangliche Spannweite seines Instrumentes, das er gerne auch in improvisatorischen Kontexten einsetzt. Weiters spielt der Komponist zwei Stücke aus seinem neuen Zyklus Sequitur für verschiedene Soloinstrumente und Live-Elektronik.
Karlheinz Essl spielt Sequitur VIII
Campus Musick Klagenfurt, 15 Jan 2009
Schon im Teenageralter inspirieren Karlheinz Essl Musikrichtungen und Stile, die nicht mit trivialen Elementen arbeiten. Hier sind die Gruppen „Pink Floyd“, „Gentle Giant“ und vor allem „Can“ anzuführen, die mit ihren komplexen Bearbeitungen bei ihm großes Interesse wecken.Essl entwickelt bereits in seinen frühen Werken eine Skepsis gegenüber der Vorstellung des in sich geschlossenen, unveränderbaren Kunstwerks. Dieser Gedanke führt zur kritischen Einstellung gegenüber der Interpretation als permanente Reproduktion. Er findet einen neue Definition des einzelnen Musikstücks, welches aus einem, von dem Moment der Initiation begonnenen Prozess besteht, der einmalig und im herkömmlichen Sinn nicht wiederholbar ist.
Bereits im Alter von sieben Jahren bekommt Karlheinz Essl von seiner Klavierlehrerin neben dem Unterricht am Instrument auch musiktheoretisches Wissen mit auf den Weg. Im Laufe seines Studiums entwickelt Essl großes Interesse an der Alten Musik. Die verschiedenen Interessenslager und der Wunsch etwas noch nie da Gewesenes zu machen, hat die Entwicklung zum Live-Performer zum Ergebnis. In den 90er Jahren liegt sein Hauptaugenmerk auf der Musik von Brian Ferneyhough, dem Begründer der „New Complexity“. Diesen Stil zeichnen komplexe Notation, dissonante Klänge und Mikrotonalität aus und stellen für den Performer eine große Herausforderung dar. In den 80er Jahren begann Essl mit der Entwicklung des computer-basierten Software-Instruments m@ze°2. Heute stellt dieses Instrument, neben der Arbeit mit KünstlerInnen anderer Bereiche, der Entwicklung von Klang- und Medieninstallationen und der Komposition von Instrumentalmusik, eines seiner musikalischen Zentren dar. Auch traditionelle Kompositionsmittel (Bleistift, Papier, Instrument) werden von Karlheinz Essl neben der Computersoftware verwendet. Oftmals ziehen sich Zufallsprinzipien durch die sehr wohl konstruierten Kompositionen. Essls Vielfältigkeit erlaubt keine Zuordnung eines Musikstils und dies scheint er auch nicht zu wollen. Unterschiedlichste Gattungen treffen aufeinander, die Musik zerfällt wieder, ersteht zu neuen mystischen Klängen, wird für ungewohnte Besetzungen und Instrumente (Spieluhr) erdacht und ertönt als sphärischer Klangteppich.
Esther Planton / Andrea Lexer
Karlheinz Essl, geboren am 15.08.1960 in Wien, absolvierte eine Ausbildung zum Chemie-Ingenieure und studierte Tonsatz, Kontrabass, Komposition und elektroakustische Musik an der Musikhochschule Wien. Während seiner Studienzeit spielte er in mehreren Ensembles und promovierte 1989 in Musikwissenschaft. Von 1990-1994 war er Composer in Residence bei den Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, 1995-2006 unterrichtete Essl „Algorithmische Komposition“ an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Ende der 1980er Jahre begann er mit der Entwicklung seines Softwareinstruments mit dem Namen m@ze°2 (Modular Algorithmic Zound Enviroment). 1997 Komponistenportrait bei den Salzburger Festspielen. 2003 Artist in Residence des Festivals „Musik aktuell“.Seit 2007 ist Karlheinz Essl als Kompositionsprofessor für experimentelle und elektroakustische Musik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien tätig. Weiters arbeitet er als Komponist, Medienkünstler, Elektronikperformer, Intendant und Musikkurator des Essl Museums in Klosterneuburg.
Karlheinz Essl erhielt Kompositionsaufträge aus Paris, von den Salzburger Festspiele, dem Wiener Konzerthaus und vielen namhaften Ensembles (Ensemble InterContemporain u.a.) und Festivals (Wien Modern u.a.).
Die Verleihung des Adolf Schärf Preises und des Würdigungspreises für Musik des Landes Niederösterreich 2004 sind nur einige Auszeichnungen, die das Schaffen von Karlheinz Essl ehren.
Karlheinz Essl: Live-Performance mit m@ze°2
Campus Musick Klagenfurt, 15 Jan 2009
Karlheinz Essl: m@ze°2 ist ein Akronym und steht für Modular Algorithmic Zound Environment. Es ist eigentlich mehr als ein Instrument. Im Grunde ist es eine Echtzeit-Komponier-Umgebung, welches mir im Augenblick erlaubt, quasi orchestrale elektronische Musik zu spielen aber auch zu improvisieren. Ebenso ermöglicht mir m@ze° mit anderen Improvisationskünstlern ohne Vorgaben zu musizieren.
EPAL: Treten Sie auch mit traditionellen Instrumenten auf?
KHE: In Klagenfurt werde ich selbst E-Gitarre spielen und habe eine Spieluhr im Gepäck. Meine Spieluhr besitzt statt der Walze einen Lochstreifen, den ich selbst hergestellt habe. Meine Komposition wird in den Lochstreifen gestanzt, in die Spieluhr eingelegt und mit der Kurbel abgespielt.
EPAL: Wovon hängt ihre Wahl der Stücke für ein Konzert ab? Ist dies ortsabhängig?
KHE: Ja, denn bei diesem Konzert in Klagenfurt treffe ich auf Studierende der Angewandten Musikwissenschaft und in diesem Kontext ist es für mich spannend Stücke vorzustellen, die Bearbeitungen bekannter Werke von J. S. Bach und W. A. Mozart sind. Andere Kontexte erlauben eine abstraktere und zum Teil auch eine längere Auswahl an Stücken, aber diese universitäre Umgebung und meine Bekanntschaft mit Simone Heilgendorff haben diese Auswahl zum Resultat.
EPAL: Welche Fähigkeiten muss man mitbringen um so ein Instrument wie das m@ze° entwickeln zu können?
KHE: Diese Software habe ich mir selbst auf den Leib geschrieben - darin stecken 15 Jahre Entwicklungsarbeit und Forschung. Meine Klangwelt und meine Art, wie ich über Musik denke, sind darin eingearbeitet. Daher bin ich der einzige, der dieses Instrument als solches verstehen und spielen kann. Da ich weder Informatiker noch Mathematiker bin, erfolgte die Entwicklung dieses Programms im Sinne eines „learing by doing“. Mein Programmieren bezieht sich allerdings immer auf die Komposition und das musikalische Gestalten.
Benutzeroberfläche vpn m@ze°2
© 1999-2009 by Karlheinz Essl
EPAL: Können Sie uns diese Programmiersprache vereinfacht erklären?
KHE: Diese Sprache heißt Max/MSP. Sie ist im Bereich der experimentellen elektronischen Musik recht verbreitet und wurde Ende der 1980er Jahren in Paris am IRCAM entwickelt. Dort habe ich sie während eines Aufenthalts 1992/93 für mich entdeckt. Max/MSP ist kein Programm zum Anwerfen wie eine Waschmaschine, sondern ein System um eigene Programme zu erstellen.
Karlheinz Essl improvisiert auf seinem Computerinstrument m@ze°
Campus Musick Klagenfurt, 15 Jan 2009
EPAL: Komponieren Sie auch mit anderen Medien?
KHE: m@ze°2 verwende ich hauptsächlich als Live-Instrument bzw. für bestimmte Stücke. Wenn ich hingegen Instrumentalmusik komponiere, verwende ich hauptsächlich Papier und Bleistift, oder ich nehme ein Instrument zur Hand. Aber auch abstrakte Mittel, wie Zahlen oder Graphen auf Millimeterpapier, dienen mir als Ausgangspunkt.
EPAL: Wo würden Sie sich als Komponist einordnen?
KHE: Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen! (lacht) Ich lasse mich nicht einordnen. Ich mache sehr unterschiedliche Sachen und bin stolz darauf, dass man mich in keine Schublade stecken kann. In den 90er Jahren wurde ich von Komponisten wie Brian Ferneyhough oder auch Karlheinz Stockhausen inspiriert und habe mich den Ideen der „New Complexity“ verbunden gefühlt. Vielleicht liegt es am Älterwerden, aber die Stücke, die in den letzten Jahren entstanden sind, erscheinen eher ruhig und sind ganz anders energetisch aufgeladen und manchmal sogar durchaus meditativ.
EPAL: Liegt Ihr Hauptaugenmerk nach wie vor darin, Regeln zu finden, die zu Unvorhersehbarem führen?
KHE: Ja, das kann man schon sagen! Gerade auch deshalb, da mein m@ze°2 nicht vollständig kontrollierbar ist. Gewissen Komponenten dieses Systems haben ein Eigenleben, das ich zu einem gewissen Grad steuern kann. Den unkontrollierbaren Teil verwende ich bewusst als Provokation meiner selbst, um nicht in meiner kompositorischen Arbeit festzufahren.
EPAL: „Ich habe eine genaue Klangvorstellung im Kopf, schlafe darüber, und das übriggebliebene Gerüst davon ist der Ausgangspunkt für die weitere Vorgehensweise“. Trifft diese Beschreibung des Kompositionsvorganges noch zu?
KHE: Das war vielleicht früher mal so. Jetzt fügt sich zwar noch so manches im Halbschlaf, aber das ist kein allgemeiner und typischer Verlauf meiner kompositorischen Arbeit.
EPAL: Komponieren Sie auch mal rein aus dem Bauch heraus?
KHE: Strukturen sind mir immer wichtig, auch wenn sie mir zunächst nur als Inspiration dienen. Sind diese ersten Schritte – die Erstellung eines strukturellen Systems – getan, habe ich eine vorgegebene Richtung, aufgrund derer sich das Stück im besten Fall wie von selbst schreiben kann – also durchaus „aus dem Bauch“. Obwohl bei meinen Live-Performances viel Unvorhersehbares und Freies vorkommt, bedarf es trotzdem einer Struktur im Hintergrund.
EPAL: Mit welchem Ergebnis soll der Zuschauer eines Ihrer Konzerte verlassen?
KHE: Ich würde mir wünschen, dass er hochgestimmt ist, fröhlich und berührt.
EPAL: Können Sie Ihren Stil in einem Satz beschreiben?
KHE: XXX (eXtremely eXperimental eXpressionism)
EPAL: Vielen Dank für das Interview.
Alpe-Adria-Universität Klagenfurt, Alte Kraftkammer
15.01.2009
Fotos und Video: Claudius von Wrochem
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Updated: 1 Feb 2021