1) According to you, has musical composition to do with utopia? If it has, what would the utopian ideas of the next decade(s) be?
Musikalische Komposition ist für mich immer ein utopisches Unterfangen: in dem Bestreben, ein nie gehörtes und fernes, nur verschwommen wahrnehmbares Traumbild (Klangbild) durch einen langwierigen Arbeitsprozeß in unsere Sinneswelt zu transferieren - Geistiges zur Materie zu verdichten. Die Utopie eines "Fernen Klanges" fungiert dabei als Leitstern, den ich selbst zwar niemals erreichen kann, der mich aber neue Wege führt und so meine empirischen Erfahrungshorizont bereichert. Musikalische Komposition ist für mich deshalb immer mit Bewußtseinserweiterung und Selbstreflexion verbunden.
2) If you had one (or several) utopian project(s) to defend, what would it (they) be?
Real Time Composition - die Utopie einer Musik,
3) Do you see any point of convergence among utopian views in the fields of music and science?
Ich beziehe mich zwar nicht ausdrücklich auf eine bestimmte wissenschaftliche Theorie. Doch liegt es auf der Hand, daß die oben umrissene Idee von Real Time Composition mit den herkömmlichen arbeitsteiligen Methoden (wie die Trennung zwischen Komposition, Notation und Interpretation) nicht realisierbar ist. Die Umsetzung dieser utopischen Idee [Lexikon-Sonate (1992 ff.)] für computer-gesteuertes Klavier, an der ich seit einem Jahr arbeite) läßt sich nur mit Hilfe von Computern bewerkstelligen. Die Maschine und deren einprogrammiertes kompositorisches "Wissen" verkörpert dabei gleichermaßen den Komponisten, der die Struktur kreiert, wie auch den Interpreten, der sie zum Klingen bringt: Komposition und Interpretation fallen hier zusammen.
(Wien, 29.6.1993)
Geschrieben als Beitrag für zu einem unter dem Titel Utopies erschienenen Heft der Les Cahiers de l'IRCAM (hrsg. von Peter Szendy), Bd. 4/1993, Paris 1993, S. 97 und S. 124
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Updated: 31 May 2019