Commissioned by the festival Klangspuren 2012
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Si! premiered by Karlheinz Siessl (tenor tuba) and Karlheinz Essl (live-electronics)
26 Sep 2012, Uderns/Tyrol
Some years ago I received an e-mail by a tuba player named Karlheinz Siessl who found it funny that our names are so similar: they only differ in the syllable "si". He suggested a collaboration and asked me to write a piece for his instrument. Shortly thereafter I invited him into my studio where we improvised together in order to become acquainted with each other. The result was so enjoyable and promising that I agreed to compose a piece for him.
Pondering over the piece, I suddenly found its title – Si! – which means "yes" in Italian and Spanish. By coincidence, this is also the solmization syllable for the note B, the fundamental tone of the tenor tuba I was using. Observing the syllable "si" from various perspectives I decided to emphasize the positive message of this word. A piece of literature came into my mind where the word "yes" is used in a highly musical way: the very end of James Joyce's novel Ulysses where Molly Bloom babbles her famous solíloquy in a daydream:
I asked a former student of mine to record these lines in Italian; they secretly serve as an underlying Ariadne's thread throughout the piece. By filtering the sound of the tuba with the spectrum of the female voice (employing a technique called convolution), this instrument is now able to speak in tongues. In order to obtain the desired results it was necessary to transform the sound of the bassy tuba into a range that has more common overtones with the voice. As it was nearly impossible to achieve this with normally blown tuba sounds, I had to invent new playing techniques. So I ended up „mis-using“ the tuba as an exceptional percussion instrument which is caressed and beaten. Furthermore, I also utilise it as a brass tube to breathe and whisper into it, taking advantage of its rich resonances.
Karlheinz Siessl (tenor tuba) and Karlheinz Essl (live-electronics) performing Si!
© 2012 Klangspuren
Eine zufällige Namensähnlichkeit brachte den Tubisten Karlheinz Siessl dazu, sich bei mir zu melden und zu fragen, ob ich an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert sei. So verabredeten wir uns zu einem "blind date", das am 3. September 2010 in meinem Studio stattfand. Wir improvisierten zunächst ohne jegliche Vorgaben miteinander, und schon bald merkte ich, dass mein Fast-Namensvetter sein Instrument nicht nur exzellent beherrscht, sondern sich darüber hinaus gern in entlegenen Klanggefilden tummelt, die man der als grobschlächtig verschrieenen Tuba nicht zutrauen würde. So konnte ich mit Hilfe meines elektronischen Instrumentariums spontan mit Siessl kommunizieren. Diese glückhafte Erfahrung führte schließlich zu der Idee, ein Stück für Tuba und Live-Elektronik zu komponieren.
Meine besondere Beziehung zu diesem Instrument begann 1996 bei den Darmstädter Ferienkursen, als Klaus Burger den versammelten Jungkomponisten die klanglichen Möglichkeiten der Tuba vorführte. Jahre später gründeten wir das Improvisationsduo ESSL.BURGER, das sich zum Ziel gesetzt hatte, ohne Proben und jegliche Absprachen ganz aus dem Augenblick heraus Musik zu erfinden, die sich wie ein Naturereignis aus dem Zusammentreffen hochenergetischer Klangströme frei entfalten sollte.
Vielleicht habe ich deshalb noch nie für die Tuba komponiert. Jedoch löste die Begegnung mit Karlheinz Siessl das starke Bedürfnis in mir aus, mich diesem Instrument nicht nur als Elektronik-Improvisator, sondern erstmals auch als Komponist zu nähern.
Unsere beiden Namen unterscheiden sich nur durch die Silbe "si", die zum Namensgeber des neuen Stückes wurde. Als Solmisationssilbe bezeichnet sie den Ton B (zugleich Grundton der Tuba), aus dessen Obertonspektrum sich die Harmonik des Stückes ableiten lässt. Darüber hinaus ist "si" – ein für die Tuba eher atypischer Klang aus gezischtem Rauschen und dem hellen Vokal i – bekanntlich auch das italienische Wort für "ja".
Diese beiden Komponenten bilden das Grundmaterial der exakt ausnotierten Partitur. In der Aufführung wird die live gespielte Tubastimme mit Hilfe der Elektronik zu mehr oder weniger komplexen Klanggespinsten verwoben, die eine Art "Teilchenbeschleuniger" virtuos im Raum verwirbelt. Dabei handelt es sich um ein selbstentwickeltes Computerprogramm, das von einem zweiten Musiker mit Hilfe verschiedener Controller wie ein Instrument gespielt wird.
Neben der rein klanglich-musikalischen Umsetzung der Silbe "si" gibt es aber auch eine semantische Ausdeutung, die das Bejahende und Positive ausdrückt. Am Ende seines berühmten "Monologs der Molly Bloom" hat James Joyce im Ulysses ein ekstatisches Bekenntnis zum Leben und zur Liebe gedichtet, das in der italienischen Übersetzung so lautet:
Wie ein versteckter roter Faden durchzieht dieser Text das Stück als subversiver Code und prägt sich den Tubaklängen auf, wodurch dieses Instrument zum Sprechen gebracht wird.
Performance of Si! at Vierundeinzig
30 Nov 2015, Innsbruck
Video recording of the dress rehearsal of Si!
26 Sep 2012, Uderns/Tyrol
Einführung zu Si!
Karlheinz Essl im Gespräch mit Dirk D'Ase
Konservatorium Wien Privatuniversität, 19 Nov 2014
Erklärung einiger spezieller Spielweisen der Tenortuba / Euphonium
© 2012 by Karlheinz Essl
Die Live-Elektronik basiert auf einem in Max/MSP geschriebenen Computerprogramm, das von einem zweiten Musiker gemäß den Angaben der Partitur gesteuert wird. Er benutzt dazu einen MIDI-Controller (KORG nanoKontrol2), optional ein Fußpedal (EOWAVE FootPedal) sowie die Tastatur des Computers.
Benutzeroberfläche der Live-Elektronik-Steuerung
© 2012 by Karlheinz Essl
Der Live-Input der Tuba wird an in der Partitur genau festgelegten Stellen in eine Art Teilchenbeschleuniger eingespeist, der die Klänge verdichtet und im Raum verwirbelt. Dazu wird bei dem allseits bekannten "record"-Symbol die Returntaste des Rechners gedrückt: Der Eingang des Mikrofons wird geöffnet, bis man – beim Zeichen "pause" – erneut die Returntaste drückt, womit der Eingang wieder stumm geschalten wird. Die solcherarts eingespeisten Klänge bleiben solange im System erhalten, bis durch eine erneute Aufnahme nach und nach überschrieben werden.
Diese im Raum ausgebreitete, in sich bewegte Klangfläche wird durch verschiedene Klangprozessoren geschickt, deren Intensität mithilfe eines MIDI-Controllers geregelt wird, auf einer Skala zwischen 0 (= kein Effekt) bis 1 (= voller Effekt).
Die einzelnen Klangprozesse sind:
flang | Flanger mit Resonanzen auf dem Grundton Bb (= 58 Hz) | ||
rmod | Ringmodulator auf 29 Hz (= Bb) mit zufallsmodulierten Abweichungen | ||
trem | Tremolo – zufallsmodulierte Amplitudenmodulation von 8 – 16 Hz | ||
reson | resonierender Bandpassfilter mit zufallsmodulierter Mittenfrequenz | ||
harm | 4-stimmiger Harmonizer mit symmetrisch gespiegelten Intervallen, stufenlose regelbar zwischen [-3 -1 | 1 3] und [-11 -5 | 5 11] | ||
conv | Convolution – Filterung der Tubaklänge mit Sprachklängen | ||
rev | Hall |
Einer der wichtigsten Klangprozesse stellt die Convolution dar, mittels derer der aus dem Tubasignal generierte Klangstrom zum Sprechen gebracht wird. Ein "Molly" genanntes Modul beinhaltet die Schluss-Sätze aus dem letzten Kapitel von James Joyce Ulysses in italienischer Übersetzung. Mithilfe eines Regler kann stufenlos zwischen Sprache, Flüstern und den Transienten der Sprache überblendet werden. Ausserdem lässt sich auch das Sprechtempo variieren – zufällig oder über einen Regler. "Molly" kann mit der Taste [#] ein- und ausgeschaltet werden.
Darüberhinaus gibt es ein "Si" genanntes Modul, mit dem bestimmte Satzfragmente und unterschiedlichste Varianten des Wortes "sì" per Tastendruck abgerufen werden können. Diese Tasten sind in der Partitur in eckigen Klammern – etwa [1] – notiert. Ein Druck auf die Taste [+] bewirkt, das eine zufällig ausgewählte Variante des Wortes "sì" abgespielt wird.
The score of Si! can be downloaded for free. Please note that the music is protected by copyright.
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Updated: 16 Jul 2023