1999-2020
Komposition – Improvisation – Experiment: Österreichs Komponierende im 21. Jahrhundert (Nina Polaschegg)
in: mica austria (7 Jan 2013)
Ebenfalls mit computergesteuerten autopoietischen Systemen arbeitet Karlheinz Essl, der zudem selbst als Improvisator am Laptop aktiv ist. Als Komponist arbeitet er immer wieder mit offenen Formen. Zum Beispiel lässt er Partituren in Echtzeit vom Computer generieren. Die Interpretation solch unvorhergesehener oder zumindest zum Teil unvorhergesehener Instrumentalstimmen bzw. Partituren bedarf Interpreten, die in der Lage sind, auf nicht vorab fixierte Anweisungen rasch zu reagieren. Mithin Interpreten, die die Freiheiten und Anforderungen im Umgang mit offenen Formen und indeterminierten Partituren bewältigen können. Und zwar gerade auch dann, wenn der Computer keine herkömmliche Notation liefert, sondern Spielanweisungen – wie etwa im Falle von „more or less“. Hier sind die Grenzen zur Improvisationskompetenz bei den Interpreten fließend.
„More or less“ ist eine Realtime-Composition. Ich arbeite hier mit Spielanweisungen, die von einem Computerprogramm on the flight generiert werden. Die passieren zwar auf einem strukturellen Fundus von verschiedenen Klanggestalten, die genau beschrieben sind, aber welche gespielt werden müssen, wissen die Musiker vorab nicht. Dazu kommen ebenfalls vom Computer in Echtzeit komponierte englische „Haikus“, die diese Spielanweisungen interpretieren. D. h. der Spieler weiß, dass es diese fünf Klangtypen gibt und dass dazu dann noch ein zufallsgeneriertes Haiku dazu kommt. Da gibt’s dann soviele Variationen, dass es immer wieder andere Texte entstehen. Und die Interpreten müssen diese Sachen zusammen lesen und daraus eine Interpretation dieses Modells abstimmen in Zusammenhang was die anderen spielen. Jeder hat einen Laptop und kann sich seine Spielanweisungen auf Tastendruck immer wieder neu austauschen.
Der Computer fungiert in „more or less“ in gewisser Hinsicht als ein Mitspieler, als ein Gegenüber, das zwar nicht direkt reagiert, aber stets neuen Input liefert, auf das die Musiker eingehen.
Alpenglühen… - CD Review (Carla Rees)
in: MusicWeb International, Sep 2009
(...) From the opening bars, Karlheinz Essl’s more or less has an intoxicating effect. The computer-generated sounds are highly effective, and the introduction of the live instruments (violin, saxophone, piano and percussion) adds colour to the sound. The percussion and piano writing in particular holds a hint of jazz at times, with a sense of improvisational freedom. The second movement opens with energetic saxophone murmurings which could be easily mistaken for a human voice, joined quickly by the rest of the ensemble to create an intense burst of power. The frenetic movement gradually calms and allows us to explore the inside of the sound as the effects are slowed down. (...)
Die neue Platte: Alpenglühen - Neue Musik aus Österreich (Frank Kämpfer)
in: Deutschlandfunk, 29.11.2009, 9:10
(...) Ein zweiter Klangeindruck: more or less von Karlheinz Essl für Violine, Saxophon, Klavier, Schlagzeug und Laptop. Scheinbar zufällig gehorcht dieses Quintett einer Dramaturgie des Switchens, des Zappens zwischen Klangwelten und Assoziationen - und zugleich vermittelt sich das zu Hörende als eine Art organischer Fluss.
Krone-Kritik (Baduin Sulzer)
in: Kronenzeitung, Wien 04.05.2009
(...) Anregende neue Kammermusik im Kornspeicher Wels: Das mit allen Wassern differenzierter und spritziger Interpretationskunst gewaschene ensemble quintonic servierte Momentaufnahmen aus der niederösterreichischen Komponistenszene. Herausragend und genialische Züge aufweisend: Karlheinz Essls more or less für 5 Spieler. Kräftiger Applaus für das Bläserquintett.
Ensemble Integrales: "Alpenglühen" disproves an Austrian identity crisis (Tobias Fischer)
in: tokafi, 16.11.2008
(...) Essl’s more or less, meanwhile, realised over a majestic stretch of eight years, builds a nervous tension arch from buzzing strings and itching synthetic structures, counterpointing percussive outbursts with moments of dark reflection in a piece which heavily relies on improvisation.
Skeptische Klangkonzepte (Andreas Felber)
Die "Tage zeitgemäßer Musik" bringen elektronische Ideenfülle nach Bludenz
in: DER STANDARD, Wien 29.11.2004
(...) Karlheinz Essl überzeugte mit more or less für fünf Spieler, dessen per Computer vorgegebene Spielanweisungen - durch Haikus in stimulierender Weise verrätselt - offen genug formuliert waren, um eine mit expressiven Höhepunkten berückende Improvisationsstruktur zu ermöglichen.
Blitzlichter an konturierten Tönen (Michael Wruss)
BRUCKNERHAUS: Virtuoser Abend beendete Karlheinz Essls Akzente-Reihe
in: Oberösterreichische Nachrichten, Linz 05.05.2004
(...) Komplett anders strukturiert das zweite Essl-Stück des Abends. more or less arbeitet mit dem von Essl entwickelten gleichnamigen Computerprogramm, das jedem der fünf Musiker (Violine, Flöte, Cello, Klavier und Live-Elektronik) per Zufallsgenerator Spielanweisungen auf den das herkömmliche Notenblatt ersetzenden Laptop sendet. Die Struktur und der emotionale Gehalt sind weitgehend fixiert, die Ausführung trotz alledem frei, wodurch eine zwar technisch gesteuerte, aber keinesfalls unmenschliche und klanglich sehr beeindruckende improvisierte Echtzeitkomposition entstand. (...)
Ars Musica - deel 2 (Peter Paul de Temmerman)
in: Financieel Economische Tijd, Bruxelles 12.03.2003
(...) Het vermaardsde Duitse Ensemble Recherche plaatst in zijn concert het werk van Essl centraal. more or less, een realtime-compositie voor ensemble an live-electronics, schreef jij in opdracht van het Antwerpse Champ d'Action (...). De uitvoerders krijgen geen traditionele partituur maar een computerscherm waarop door de computer gegenereerde speelinstructies verschijnen en waarbij volgens bepaalde patronen en spelregels de uitvoerders op mekaar reageren. Stilte is daarbij een belangrijk structurerend element. Van hem staat ook 'm@ze°2' uit hetzelfde jaar voor computer solo op het programma. Het is een zugenaamde 'Modular Algorithmic Zound Environment' waarbij de muziek gecomponeerd wordt op het moment date zu weerklinkt. (...)
Uraufführung: Eine Komposition in @ (Andreas Schmitz)
in: DIE WELT, Hamburg 27.10.1999
(...) Wie Internet-konforme Musik aussehen könnte, meint der Österreicher Karlheinz Essl zu wissen. Der Wiener Musikwissenschaftler werkelte bereits zu Beginn der achtziger Jahre am ersten musiktauglichen Computer - einem Atari mit Midi-Schnittstelle. Seitdem experimentiert Essl im Internet - hörbar unter www.essl.at - mit Klanginstallationen und interaktiven Echtzeitkompositionen. Klassische Kompositionsmuster - wie die Sinfonie - bezeichnet er als "verstaubte Gattungen, die in eine andere Zeit gehören". Essl versucht, Musikinteressierte an Kompositionen teilhaben zu lassen. "Vorgefertigte Werke gibt es nicht mehr. Werk, Interpret und Instrument verschmelzen im Moment", sagt Essl.
more or less heißt sein jüngstes Internet-Projekt, für das er zurzeit "mit ausgezeichneten Solisten" in Antwerpen probt. Im Rahmen einer Veranstaltung in Brüssel, Europas Kulturhauptstadt 2000, gibt Essl Ende Februar des nächsten Jahres ein Live-Konzert in einem Cyber-Café: Ein Computer ist mit Essls Programmen gespeist und gibt die Spielanweisungen für das 70-minütige Konzert. Internet-Surfer können das Konzert live miterleben. Durch Klicken auf die Maustaste kann jeder sich vom fernen Computer in den Prozess einschalten. "Durch Klicken können einzelne Musiker unseres Ensembles ein- und ausgeschaltet werden", so Essl, "und die Spieler erhalten neue Spielanweisungen." In jeder Sekunde entstehen durch Interaktion im Netz neue Wendungen, die unvorhersehbar sind. (...)
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Updated: 20 Apr 2023