Das jährlich stattfindende Festival musik aktuell steht 2003 unter dem Motto KLANG.RAUM und wird diesmal vom Komponisten Karlheinz Essl kuratiert, der als composer-in-residence für das künstlerische Konzept verantwortlich zeichnet und zudem die Möglichkeit geboten bekam, eigene Projekte im Rahmen des Festivals zu realisieren.
musik aktuell - Neue Musik in NÖ ist ein Projekt der Musikfabrik NÖ, mit dem sie im Landesauftrag strukturell für Neue Musik tätig ist. Dies passiert u.a. in Form eines Festivals, das kein örtlich und zeitliches Zentrum besitzt. Die Projekte sind über das Jahr und ganz Niederösterreich verteilt und werden heuer von dem Komponisten und 'Elektroniker' Karlheinz Essl als artist-in-residence kuratiert. Der Kurator definiert das Jahresthema - heuer Klang.Räume - und seine Projektvorstellungen, zu denen Musiker, Komponisten und Ensembles Vorschläge einreichen. Diese werden vorselektioniert und Veranstaltern in ganz Niederösterreich angeboten. Ob ein Konzept realisiert wird, entscheidet somit letztendlich der 'freie Markt'. So bleibt auch heuer einiges in der Schublade, das Programm weist dennoch eine Vielfalt spezieller Projekte aus, konzertante Aufführungen - auch im experimentellen Jazz-Kontext - aber auch Klanginstallationen im öffentlichen Raum. Das Jahresthema lag bei Essl auf der Hand, arbeitet er doch schon seit längerem mit "Klangraum - Klang als Phänomen, das einerseits räumlich stattfindet, aber auch einen eigenen Raum [den harmonischen Klangraum] in sich trägt." Eine Notwendigkeit für den Elektroniker, denn "die elektronische Komposition muss unbedingt auf den Raum reagieren, sie muss eine gewisse Offenheit haben. Du musst immer darauf reagieren, was der Raum zurückgibt. Deswegen heißt 'real time composing', feste Kerne zu konzipieren, die aber an den Rändern weich sind und unbestimmt, damit Platz bleibt, um auf die jeweilige - auch räumliche - Situation zu reagieren." Genau so ist auch die Duo-Performance Segreto Spaziale für Geige, Computer und Live-Elektronik angelegt, die Karlheinz Essl im neuen Klang.Raum.Krems der akustisch auf Hochform gebrachte Minoritenkirche, mit dem Geiger Ernst Kovacic realisieren wird. "Das Ganze ist ein Raumkonzept, das einen theatralischen Aspekt hat. Es geht sehr viel um Bewegung mit Licht, von Bewegung im Raum. Es gibt sowohl improvisierte als auch genau auskomponierte Situationen. Die Geige ist mit einem Funksender versehen, d.h. Ernst Kovacic kann sich völlig frei im Raum bewegen und mir über Funk sein Audiosignal schicken, das ich live-elektronisch verarbeite. Mit meinem Computerinstrument m@ze°2 reagiere ich darauf als musikalischer Partner; zuletzt werden die Klänge auf 9 im Raum positionierte Lautsprecher (viele davon sind unsichtbar) verteilt." Berührungsängste beim Betreten der 'Klang.Räume' muss niemand haben. "Die Musik, die mir ein Anliegen ist, bedarf keiner Voraussetzungen etwa im Sinne einer bürgerlichen Hörerziehung - sondern einfach ie Bereitschaft, sich mit dem faszinierenden Phänomen des Klanges auseinanderzusetzen. Es ist meine Aufgabe als Künstler, den Leuten soviel zu geben, dass sie damit etwas für sie sinnvoll 'konstruieren' können - und sie nicht mit einem Übermaß an unauflöslicher Komplexität zu überschüttten. Freude, Lust und Sinnlichkeit zu vermitteln ist mir ein großes Anliegen." In: Jazz-Atlas 2003, hrsg. von der jazzzeit. Das Gespräch führten Wolfgang F. Rauscher und Heike Kappes. |
Die Auswahl der Aufführungsorte ist ausserordentlich: die Veranstaltungen finden zumeist nicht in den klassischen Konzertsälen, sondern auf Dorfplätzen, in Museen, Fabriken, Bürogebäuden, Sakralbauten und sogar auf dem Wasser statt.
Auch die Spannweite des Programmes ist beeindruckend und reicht von Klanginstallationen, über Chor- und Orgelkonzerte, Jazz-Gigs, Elektronik-Events bis hin zu raumgreifenden Schlagzeugkompositionen und Musikperformances.
Ich freue mich, dass durch die kreative Zusammenarbeit von Komponisten, Musikern und Veranstaltern dieses Festival so geworden ist, wie es sich in diesem Folder präsentiert und möchte allen Beteiligten - vor allem auch der Musikfabrik und ihrem unermüdlichen Leiter Gottfried Zawichowski - herzlich für ihre Beiträge danken. Ihnen wünsche ich neue und sinnliche Hörerfahrungen, ein frohes Herz und offene Ohren.
Karlheinz Essl (Januar 2003)
Im Zentrum steht diesmal die Auslotung des KLANGES als sinnliches Medium und die spielerische Lust am Entdecken neuer und ungehörter Klangwelten. KLANG wird hier als vielfältiges Phänomen aufgefasst, das nicht an bestimmte Kategorien oder Ästhetiken gebunden ist.
Die Entfaltung des Klanges aber bedarf eines RAUMES. Hier richtet sich das Interesse nicht auf die traditionellen Konzertsäle, sondern auf aussergewöhnliche Architekturen wie Fabrikshallen, Museen, Bürogebäude, Sporthallen, Sakralbauten oder Bereiche im öffentlichen Raum. Dabei sollte der KLANG auch als räumliches Phänomen präsentiert werden, dessen Anfänge bereits im Gregorianischen Choral und der venezianischen Mehrchörigkeit im 16. Jahrhundert zu finden sind.
Gefragt sind also Projekte, die einen kreativen und experimentellen Dialog zwischen neuen Klängen und neuen Räumen suchen - jenseits aller Stilistiken und Gattungsgrenzen: neuartige Raumkonzeption, erweiterte instrumentale und vokale Spieltechniken, Live-Elektronik, Improvisationskonzepte, experimentelle Volxmusik oder Klanginstallationen - wobei Grenzüberschreitungen in jeder Hinsicht durchaus erwünscht sind.
Karlheinz Essl (2002)
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Updated: 4 Jan 2007