Christoph Wagner
Zum mittlerweile umfangreichen Repertoire an Kompositionen für Toy Piano kommen laufend neue hinzu. Unter ihnen befinden sich vermehrt Werke für Kinderklavier und Elektronik. Der österreichische Komponist Karlheinz Essl hat etliche entworfen, wobei er die Freiheit schätzt, für ein Instrument zu schreiben, das im Gegensatz zum Klavier oder der Violine nicht mit der Bürde eines über Jahrhunderte gewachsenen Repertoires belastet ist. Essl dringt tief ins Innere des Toy Pianos vor und überträgt John Cages Idee vom präparierten Klavier auf das Kinderinstrument, indem kleine Gegenstände wie ein Kreisel oder Fingerhüte auf die Klangblättchen gelegt werden und so seinen Klang verfremden.
Der Komponist Karlheinz Essl am Toy Piano
© 2011 by Markus Rössle
Mit digitaler Technologie entführt Essl das Toy Piano mit Hilfe eines Laptops, interaktiver Software, Ringmodulator, Flanger und Detuner ins Wunderland der Elektronik. Töne werden verfremdet und verformt, Klänge pulverisiert und im Raum zerstäubt oder auf wundersame Weise vervielfältigt. Manch mal wird ihnen die Bodenhaftung genommen, um sie in scheinbarer Schwerelosigkeit durch den Raum schweben zu lassen. Ein anderes Mal werden sie verlangsamt oder beschleunigt bzw. man lässt sie kaskadenhaft sprudeln. Buntschillernde Klangballungen können sich in Stille auflösen, um kurz darauf wieder ihre ursprüngliche Gestalt anzunehmen. In dieser Musik geht die Elektronik mit den akustischen Toy Piano-Klängen eine wunderbare Symbiose ein.
Dr. Karlheinz Essl (1960 in Wien geboren) ist ein österreichischer Komponist und Klangkünstler, der elektroakustische und experimentelle Komposition in Wien unterrichtet und dessen Werke weltweit zur Aufführung kommen.
in: Christoph Wagner, Freak-Sounds. Musik abseits der Norm, edition neue zeitschrift für musik, Mainz: Schott, 2025, S. 122-123. - ISBN: 978-3-7957-3413-8
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