Portrait

Susanne Riegler

TV-Portrait Karlheinz Essl

2006

8 März 2006: Einen Tag lang begleitete ein Kamerateam Karlheinz Essl bei seiner künstlerischen Arbeit. Zunächst probte er mit der Flötistin Cordula Bösze, arbeitete danach an einer neuen Komposition für Toy Piano und Elektronik, traf sich anschließend mit Hermann Nitsch und besuchte abends eine Video/Audio/Performance von Bernhard Loibner und Michaela Grill...


In seinem Klosterneuburger Studio probt der Komponist Karlheinz Essl mit der Flötistin Cordula Bösze ein Stück, das er eigens für die Musikerin komponiert hat. Dabei werden Klänge produziert, die man sonst nie hört.


Cordula Bösze Karlheinz Essl & Cordula Bösze

Cordula Bösze (Flöte) und Karlheinz Essl (Electronics) beim Erarbeiten von inside/out


Cordula Bösze: "Ich habe vor einigen Jahr begonnen, die Flöte innen zu mikrophonieren, und kann mit diesem Mikrophon natürlich ganz andere Klänge aus der Flöte herausholen: mit kleinen Lippenbewegungen, mit Luft, mit der Zunge - Dinge, die man ohne Mikrophon sonst nicht hören würde. Ich habe mir dann Partner gesucht, wo ich diesen Klang in einen Computer schicken kann, und dieser dann im computer verändert wird - und das ist genau die Arbeit, die ich jetzt mit Karlheinz Essl mache."

Karlheinz Essl: "Das Stück heißt inside/out und projiziert sozusagen die Klänge aus dem Inneren der Flöte in den Raum, und zwar in einer sehr dichten, kompakten Weise. Die Töne werden mit sich multipliziert, vielfältig übereinander geschichtet. Daraus ergibt sich ein ganz merkwürdige Situation: das, was Cordula spielt, ist normalerweise nicht hörbar. Man hört jetzt aber nur die Projektion in den Raum - das wiederum regt sie beim Spielen an."

Der Musiker gibt dem Klang Raum, und füllt so den Klang mit Schwingungen. Essls Musik ist ein sinnliches und körperliches Erlebnis.


Karlheinz Essl - hand writing Karlheinz Essl - hand writing

Karlheinz Essl beim Ausarbeiten der Partitur von inside/out


Der Schaffensplatz des 45jährigen befindet sich im Ausstellungshaus der elterliche Sammlung Essl. Er ist einer von zwei Söhnen des Kunstsammler-Ehepaars Agnes und Karlheinz Essl. Die Essls haben eine große europäische Baumarkt-Kette aufgebaut, und auf eine gewisse erbliche Vorbelastung des Sohnes gebaut.

KHE: "Ich sollte eigentlich - da ich aus einer Kaufmannsfamilie komme - diesen Weg weitergehen und in die selben Fußstapfen treten. Ich habe mich dem aber schon sehr früh verweigert, weil ich im Kaufmännischen nicht meine Stärken gesehen habe. Ich habe meinen Eltern bereits als Teenager klar gemacht, dass meine Fähigkeiten auf anderen Gebieten liegen: Ich bin eher Erfinder, habe deswegen dann eine Chemieschule besucht und danach - ganz untypisch! - Musikwissenschaft studiert."

Und das ein Jahr geheim. Bis die Eltern endlich Verständnis für seine musikalischen Neigungen hatten. Karlheinz dissertierte in Musikwissenschaften über Anton Webern und studierte Komposition bei Friedrich Cerha. Komponieren bedeutet für ihn - dessen Werke längst international aufgeführt werden - kein fix und fertiges Elaborat abliefern, sondern Rahmenbedingungen schaffen.


Karlheinz Essl während des Interviews Karlheinz Essl während des Interviews

Karlheinz Essl im Gespräch mit Susanne Riegler


KHE: "Mich interessieren nicht Stücke, die nur reproduziert werden und immer gleich sind bis auf kleine interpretatorische Unterschiede, sondern Stücke, die zwar als Komposition definert werden und einen spezifischen Charakter haben, aber die immer anders erklingen. Genau wie bei einem Garten: er erscheint immer anders, je nach dem, was gerade blüht oder welchen Weg man durch ihn zurücklegt. Ähnlich sind Stücke von mir oft aufgebaut."

Karlheinz Essl ist immer auf der Suche nach neuen Klangerlebnissen, und experimentiert hier mit einem Toy Piano. Lange Zeit blieb dieses Instrument, das ursprünglich als Kinderklavier gedacht war, unbeachtet. Bis John Cage 1948 eine Suite dafür komponierte. Essl arbeitet ebenfalls gerade an einer Komposition für dieses Instrument.


Karlheinz Essl am Toy Piano Karlheinz Essl am Toy Piano

Karlheinz Essl am Toy Piano


KHE: "Was mich bei der Musik interessiert ist Musik, die ungewöhnlich ist und dadurch, das man sie nicht kennt, andere Zugänge eröffnet: Nicht auf einer banalen Ebene die Leute dort abzuholen, wo sie sich ohnehin ständig befinden, sondern von der Maschig-Seite kommend. Sie an die Hand nehmen und in ein Märchenland führen, das voller Überraschungen und auch Gefahren ist."

Karlheinz Essl ist ein Klangfetischist, und ständig auf der Suche nach aussergewöhnlichen Instrumenten. Hier spielt er gerade auf einem vietnameischen Tempelblock, den er in Kalifornien erstanden hat.


Karlheinz Essl am Tempelblock Karlheinz Essl am Tempelblock

Karlheinz Essl improvisiert mit einem vietnamesischen Tempelblock


Karlheinz Essl sucht auch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Daraus entstehen oft Freundschaften, wie mit Hermann Nitsch, dessen Aktionen und Ausstellungen er schon einige Male als Komponist und als Dirigent begleitet hat.


Karlheinz Essl und Hermann Nitsch Karlheinz Essl und Hermann Nitsch

Karlheinz Essl und Hermann Nitsch


Hermann Nitsch: "Es war auch so, dass wir beide zweimal zusammengearbeitet haben: Einmal hier in der Sammlung Essl bei meiner großen Ausstellung. Da hat er auf der Grundlage einer Harmonium-Musik von mir eine eigene Orgien- äh Orgelmusik aufgebaut, die mir durchaus gefallen hat und der Sache sehr gerecht worden ist. Ich glaube, da ist uns eine gute Zusammenarbeit gelungen. Und vor allem, weil er sehr viel Gefühl für den Raumklang hat."

Karlheinz Essl feuert auch andere an, künstlerisch zu experimentieren, und stellt dafür Räumlichkeiten des väterlichen Kunstmuseums zur Verfügung. Hier zum Beispiel bat er den Komponisten Bernhard Loibner und die Videokünstlerin Michaela Grill in einer Lagerhalle des Museums zu einem audio-visuellen Duett.


Michaela Grill Bernhard Loibner

Michaela Grill und Bernhard Loibner bei der Performance DUETZ#2 in der Sammlung Essl


Karlheinz Essl: "Mich interessen überhaupt nicht solche Projekte, die ich irgendwoher einkaufe - wenn mir Musiker Sachen anbieten, die sie anderswo ohnehin schon machen. Ich möchte vielmehr Künstler mit unseren Räumen konfrontieren und sie davon Feuer fangen zu lassen, damit sie dafür etwas Eigenes entwickeln."

Ein Konsumartikel ist Karlheinz Essls Kunst nicht. Wer sich ihr ausschließlich geschmäcklerisch nähert, dem wird das Spannende daran verborgen bleiben.

Hermann Nitsch: "Ich glaube schon, dass man zur Kunst Zugang erlernt - man sollte sich dabei nicht zu sehr auf das spontane Urteil verlassen. Zu urteilen muss gelernt werden."

© 2006 by Susanne Riegler / ORF


Credits

Aufgenommen am Mi, 08.03.2006 in der Sammlung Essl in Klosterneuburg
Erstsendung: So, 26.03.2006, 17:05 (ORF 2: "Schöner leben")

Gestaltung: Susanne Riegler
Kamera: Volkmar Voitl




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Updated: 16 Dec 2016

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