Karlheinz Essl
Die Musik des 20. Jahrhunderts zeichnete sich wie keine andere Epoche durch extreme Vielfältigkeit und Heterogenität aus; eine Tendenz, die seit den mutigen Aufbrüchen Schönbergs und Weberns ungebrochen anhält und nicht aufzuhalten ist. Die Zeiten, in denen stilistische Überschaubarkeit herrschte und wo der soziale Ort von Kunstmusik klar umrissen war, sind längst vorbei. Stattdessen sind wir heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit völlig neuen Situationen konfrontiert, in denen das sakrosankte Werke nicht mehr allein im Zentrum steht, sondern eine von vielen (gleichwertigen) Möglichkeiten darstellt. Neuen künstlerischen Konzeptionen, die aus der Auseinandersetzung mit digitalen Technologien und Improvisation entstanden sind, lassen sich mit traditionellen Probenmethoden nicht mehr adäquat beikommen. Dadurch bekommt der einzelne Musiker eine größere Verantwortung übertragen. Er ist nicht mehr ein einzelnes Rädchen in einem großen Getriebe, das einem übergeordnetem System (bestimmt durch Partitur und Dirigent) untergeordnet ist. Nein, er wird selbst zum Motor eines Getriebes, in das Komponist, Dirigent, Musiker und Publikum gleichermaßen eingebettet sind.
Diesen neuen Anforderungen muss ein Spezialensembles für Neue Musik heutzutage Rechnung tragen. Seine Aufgabe kann nicht darin bestehen, eine aus der Romantik stammenden Praxis der Musikausübung unhinterfragt weiterzuführen. Denn die Vermischung und gegenseitige Durchdringung der verschiedenen Künste ergeben ungeahnte Möglichkeiten, die mit den klassischen Formen der Konzertdarbietung nicht mehr viel gemein haben. Die Einbindung des Raumes als wichtigen "Parameter" löst die klassische Bühnensituation ab und macht diese oftmals vollends sinnlos. Der Dirigent wird damit auch aus seiner allmächtigen Position verdrängt und mutiert zum Solisten unter lauter Solisten, die ihre Isolation zugunsten einer kreativen Partnerschaft aufgeben haben.
Eine solche offene Haltung bedarf eines persönliches Engagements, das mit Geld nicht zu aufzuwiegen ist. Hier hat das ensemble xx. jahrhundert seit dreißig Jahren in vielfacher Hinsicht Pionierarbeit geleistet. Verankert im Repertoire der Wiener Schule entwickelte es sich aufgrund seiner unermüdlichen Neugier ständig weiter - immer auf der Suche nach dem neuen Ton, ohne dabei das Experiment mit ungewissem Ausgang zu scheuen. In den letzten 30 Jahren hat es eine Vielzahl von Musikern hervorgebracht, die durch die Ensemblearbeit geprägt worden sind und eine Reihe von Komponisten in seine Arbeitsprozesse mit eingebunden. Seine frühe Auseinandersetzung mit Live-Elektronik (die noch vor 10 Jahren ein technologisches und finanzielles Risiko darstellte) und seinen Faible für den Film verdankt es seinem Leiter und Gründer Peter Burwik, einem unermüdlich suchenden Reisenden zwischen verschiedensten Welten.
Home | Works | Sounds | Bibliography | Concerts |
Updated: 16 Mar 2015