Space Art Transmission performed by Margarete Jungen and Les Guetteurs des Sons, dir: Karlheinz Essl
ARTSAT
AUSTROSOWIET RADIO
TIME SPACE
ART
TELECREATION
WELTRAUM KULTURRAUM
RCCW TU GRAZ 1991 AREMIR
Meine Absicht war es, die Absurdität dieser message nicht zu mystifizieren, sondern das Augenmerk auf die Syntax zu legen und sie dadurch ihres vordergründigen Inhaltes zu entkleiden. Der Code wird als Generator aufgefaßt, der als Programm in eine vorher genau auskonstruierte Maschine gespeist wird und sie dadurch zum Leben erweckt. Ebenso könnte jeder andere Code diese Maschine beseelen, etwa das oft zitierte Telefonbuch. Dabei wollte ich keinesfalls einem Technik-Fetischismus verfallen, der gerade in den Tagen des österreichisch mitbesatzten AUSTROMIR-Projekt landesweit für Hysterie sorgte. Die Rückbesinnung auf den archaischen Urgrund der Musik - Rhythmus und menschliche Stimme - schien mir in diesem Kontext die passende Haltung zu sein.
On October 6, 1991, during a special live TV-broadcast, artist Richard Kriesche transmitted the image of his hand into space where this image was received by Austrian cosmonaut Franz Viehböck on board of the MIR space station. On this day, MIR on its orbit around the earth, was positioned for a few minutes within radio reach from Graz. This made it possible that Franz Viehböck could respond to Kriesche's hand by sending a radio message to Graz via a special ham radio equipment called AREMIR . This message, or rather its code manipulated and changed the sound of the Blue Danube Waltz which formed the musical background of the live event at the Graz broadcasting house and on TV—«as if by the hand of an invisible conductor.» Simultaneously musical parameters of the changed Danube Waltz were destilled by spectral analysis and recorded in a PC. These parameters started to play a piano, and then triggered the movements of a welding robot, which inscribed the code from space on a high grade steel disk (3,5 m dia.). This disk was later installed at the Schlossberg in Graz as an art-work in public space. The same code that had inscribed this big disk was also passed on to 10 composer/musicians/artists as the basis for their short ARTSAT radio-pieces. These pieces were broadcast on KUNSTRADIO and thus—in space—melted back into the ‹data background› from which their code had been derived originally. |
Die Komposition beruht aus vier verschiedenen Projektionen desselben Codes auf ein vorab definiertes Ensemble von Klängen:
1. Fell: 4 Tom Tom 2. Holz: 4 Tempelblocks 3. Metall: 1 TamTam, 3 Becken 4. Stimme: 4 verschiedene Sprechstimmen-"Register"
Diese Gruppen bilden eine Art Skala: von dumpfen Trommeln über "tonige" Tempelblocks und fließenden Becken- bzw. TamTam-Klängen hin zu Sprachlauten.
Zunächst wurde die Zeichenfolge nach Häufigkeiten analysiert (siehe untenstehende Tabelle). Abhängig von der Häufigkeit der Zeichen und (bei gleicher Häufigkeit) in der Reihenfolge ihres Auftretens ergab sich folgenden Sequenz:
Rhythmik
Daraus wurde zunächst die Rhythmik abgeleitet. Dem ersten Element (dem Leerzeichen "_") dieser Sequenz wurde der kleinste, dem letzten Element (dem Buchstaben Z) der größte Zeitwert einer geometrischen Reihe zugewiesen und daraus die Einsatzabstände berechnet.
In einer sog. Geometrischen Reihe ist das Verhältnis zwischen zwei benachbarten Gliedern immer gleich groß. Man gewinnt sie beispielsweise, wenn ein Ausgangswert rekursiv mit einem Proportionalitätsfaktor q multipliziert. (Wert = 1, q = 2: 1 2 4 8 16 32 ...) Solche Reihen, die auch unserem temperierten Tonsystem zugrunde liegen, sind hier über mehrere "Zeitoktaven" hinweg in den Zeitbereich des Rhythmus projiziert.
Für jede der vier Instrumentengruppen wurden nun eigene Zeitreihen gebildet, die sich durch den Proportionalitätsfaktor q und dem kleinsten Zeitwert unterscheiden. Diese beiden Parameter sind so gewählt, das jede Reihe - umgesetzt auf die message - in Summe genau 5 Minuten, die längste mir zugestandene Dauer für die Komposition, dauert.
Tabellarisch aufgelistet sieht das so aus:
Nr. Zeichen Häuf. ED.Fell ED.Holz ED.Metall ED.Stimme ________________________________________________________________ 1. _ 13 0.25 0.5 0.75 1 2. R 12 0.32 0.61 0.89 1.15 3. A 11 0.41 0.75 1.05 1.33 4. T 11 0.53 0.91 1.24 1.53 5. E 8 0.68 1.11 1.47 1.76 6. U 6 0.87 1.36 1.73 2.03 7. S 4 1.12 1.66 2.05 2.34 8. O 4 1.43 2.03 2.42 2.7 9. I 4 1.84 2.48 2.87 3.11 10. M 4 2.36 3.03 3.39 3.59 11. C 4 3.03 3.7 4.01 4.14 12. W 3 3.89 4.52 4.74 4.77 13. L 3 5 5.53 5.61 5.5 14. 1 2 6.41 6.75 6.63 6.34 15. 9 2 8.23 8.25 7.84 7.3 16. J 1 10.57 10.08 9.27 8.42 17. D 1 13.56 12.31 10.96 9.7 18. P 1 17.4 15.04 12.96 11.18 19. N 1 22.34 18.38 15.33 12.89 20. K 1 28.67 22.45 18.13 14.86 21. G 1 36.8 27.43 21.43 17.12 22. Z 1 47.23 33.51 25.34 19.74Wie man sieht, haben die Einsatzabstände von Fell 0.25 als kleinsten Wert (entspricht einer Sechzehntelnote), als längsten Wert jedoch 47.23; der kleinste Einsatzabstand der Stimme hingegen beträgt 1 (= entspricht einer Viertelnote), der größte Wert aber nur 19.74.
Daraus folgt, daß (statistisch gesehen) die Fellinstrumente dichte Impulsgruppen spielen, die durch relativ lange Pausen voneinander getrennt sind; die Stimme hingegen fließt, ohne durch sehr lange Pausen unterbrochen zu sein, mehr dahin, was dem Charakter dieser "Instrumente" entspricht. In der Partitur ist dies deutlich zu sehen, auch, daß es sich dabei um einen komplizierten Proportionskanon handelt.
Nach dieser Matrix wird nun Zeichen für Zeichen der message übersetzt, wobei in den vier Schichten die rhythmische Abfolge des Stückes entsteht.
Klänge
In einem zweiten Schritt werden nun die Register und Dynamikwerte der Klänge aus dem Code abgeleitet. Jedes Instrument weist 4 Registerbereiche von tief nach hoch auf:
Fell: 4 TomTom Holz: 4 Tempelblocks Metall: TamTam, chin. Becken, ride-Becken, splash-Becken Stimme: 4 Stimmlagen
Die Zeichen des Codes werden nun so übersetzt, daß häufig auftretende mit geringer Dynamik versehen werden, seltenere hingegen mit größerer. Jedes Register - ein solches entspricht einer Linie in einem Vierliniensystem - soll dabei gleich häufig vorkommen. Ohne jetzt näher auf den Transformations-Algorithmus einzugehen: das Ergebnis ist die nachstehende Übersetzungstabelle:
Dynamik Register.1 Register.2 Register.3 Register.4 _____________________________________________________________ p _ R A T mf O S U E f I M C W sfz J 9 1 L sfz D P N K sfz G Z
Demnach wird also jedes Leerzeichen in "Register 1, piano" codiert, die Zahl 9 beispielsweise in "Register 2, sfz".
Zuletzt wird der Krebs der message mit diesem Wörterbuch übersetzt; dadurch ist gewährleistet, daß gleiche Einsatzpunkte nicht immer gleiche Dynamik und Register zugewiesen bekommen. Rhythmus- und Klang-Transformation in einer Tabelle zusammengefaßt ergeben als Resultat die "Partitur", in der die relativen Einsatzabstände wurden in absolute Einsatzpunkte umgerechnet wurden.
Nr. Klang EP.fell EP.holz EP.Metall EP.Stimme message ____________________________________________________________ 1. 2.p 0 0 0 0 A 2. 1.f 0.41 0.75 1.05 1.33 R 3. 2.f 0.73 1.36 1.94 2.48 T 4. 4.mf 1.26 2.27 3.18 4.01 S 5. 2.p 2.38 3.93 5.23 6.35 A 6. 3.p 2.79 4.68 6.28 7.68 T 7. 1.p 3.32 5.59 7.52 9.21 _ 8. 3.ff 3.57 6.09 8.27 10.21 A 9. 2.ff 3.98 6.84 9.32 11.54 U 10. 2.ff 4.85 8.2 11.05 13.57 S 11. 3.ff 5.97 9.86 13.1 15.91 T 12. 1.p 6.5 10.77 14.34 17.44 R 13. 2.ff 6.82 11.38 15.23 18.59 O 14. 3.p 8.25 13.41 17.65 21.29 S 15. 2.p 9.37 15.07 19.7 23.63 O 16. 1.ff 10.8 17.1 22.12 26.33 W 17. 1.p 14.69 21.62 26.86 31.1 J 18. 3.mf 25.26 31.7 36.13 39.52 E 19. 4.p 25.94 32.81 37.6 41.28 T 20. 1.p 26.47 33.72 38.84 42.81 _ ...........................................................
Diese vorerst musikalisch abstrakte, alpha-numerische Zeichentabelle wurde zuletzt in die gebräuchliche rhythmisch-metrische Notation übertragen. Eine öbertragung in ein anderes Medium ist aber immer mit einer Verzerrung der ursprünglichen Information verbunden, da jede öbersetzung eine Interpretation mit einschließt. Dieser Umstand war für mich freilich kein beklagenswerter, sondern ermöglichte es mir, die oben beschriebenen Auswertungsstrategien zum Einsatz zu bringen. Auf dieser Ebene begann das eigentliche Komponieren: die Interpretation und Zuordnung von Größen auf Grund globaler Kontexte, die wiederum von den vorab definierten Auswertungsstrategien abhängen. Dabei wurden etwa einzelne Einsatzpunkte gelegentlich rhythmisch aneinander angeglichen. Die Dauern der Klänge waren der einzige "freie" Parameter, wobei sich aus dem Charakter des Klangmaterials Regeln ergaben: Sforzati sind immer kurz, während Piano-Klänge immer bis zum nächsten Einsatzpunkt reichen.
Aus einem Vortrag über Computer Aided Composition, der am 6.12.1991 in der Alten Schmiede in Wien gehalten wurde.
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Space Art Transmission, page 1
© 1991-2015 by Karlheinz Essl
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Updated: 31 May 2019